21.02.2022
Haushaltsrede der Kreistagsfraktion 2022

Augsburg, den 21.02.2022

 

Auch in diesem Jahr starteten die Haushaltsberatungen wieder mit einem unausgeglichenen Haushalt.

Der erste Entwurf wies bei einer maximal möglichen Kreditaufnahme von über 15 Millionen Euro immer noch eine Deckungslücke von über 4,5 Millionen Euro aus.

Nachdem dank unserer Kreiskämmererin Frau Seyberth und großer Bemühungen der Verwaltung diese Deckungslücke zuletzt geschlossen bzw. auf die nächsten Jahre verlagert werden konnte, war die Erleichterung bei allen groß.

Die Erleichterung schien sogar so groß, dass ein geplantes Defizit von knapp 18 Millionen Euro heuer und weiteren 85 Millionen Euro die nächsten drei Jahre- in Summe über 100 Millionen Euro nur noch wenige im Gremium zu beunruhigen scheinen, obwohl uns für die mittelfristige Finanzplanung selbst bei maximal zulässiger Neuverschuldung noch über 25 Millionen Euro fehlen.

Auch die 80 Millionen Euro geplante Neuverschuldung sind schließlich ein ganz schöner Batzen, den wir hier der nächsten Generation aufbürden werden.

Es heißt, der Zweck heilige die Mittel: Und ja- auch die Freien Wähler begrüßen die geplanten Investitionen. Der Neubau des Paul-Klee-Gymnasiums in Gersthofen und die Sanierung des Justus-von-Liebig-Gymnasiums in Neusäß werden von uns 100-prozentig unterstützt.

Investitionen sind wichtig und bedeuten Wertschöpfung für unseren Landkreis. Sie dienen nicht nur dem Wohlbefinden unserer Bürgerinnen und Bürger, sondern unterstützen und stärken auch unsere heimische Wirtschaft.

Was wir bemängeln sind ausdrücklich nicht die geplanten Investitionen, sondern dass uns aufgrund eines über die letzten Jahre deutlich aufgequollenen Verwaltungshaushalts eine Anschubfinanzierung für Investitionen nicht mehr im benötigten Maße möglich sein wird.

Bereits letztes Jahr hat uns die Kämmerei diesbezüglich ausdrücklich gewarnt. Wir sollten uns keinesfalls an diese Warnungen, an dieses verwalten am finanziellen Limit gewöhnen, es ist höchste Zeit Luft zu machen- Luft um auch künftig leistungsfähig zu sein und in die Zukunft investieren zu können.

Die Ursachen im Verwaltungshaushalt finden sich schnell. Personalausgaben die jährlich in Millionenhöhe ansteigen, sowie deutlich steigende Kosten im sächlichen Verwaltungs- und Betriebsaufwand nehmen uns den Spielraum für zusätzlich nötige Investitionen.

Hier gilt es strukturelle Probleme zu erkennen und den Rotstift für eine nachhaltige und effiziente Personalpolitik anzusetzen, die Digitalisierung auszubauen, Einsparpotentiale zu nutzen und Homeoffice-Angebote auszuweiten.

Wir werden alleine in diesem Jahr 3,6 Millionen Euro für Mieten und Pachten ausgeben, on top kommen noch die Kosten für Einrichtung und Unterhalt immer neuer zusätzlicher Verwaltungsgebäude. Der Frage, ob eine Expansion von Büroplätzen heute noch zeitgemäß ist, werden wir uns stellen müssen.

Große Aufgaben warten auf uns. Wir werden die nächsten Jahre nicht nur mit steigenden Schülerzahlen, sondern auch mit steigenden Pflegezahlen zu rechnen haben.

Auch wenn unsere Gymnasien in Gersthofen und Neusäß bald bestens aufgestellt sind, werden viele Kinder z.B. in den Realschulen Zusmarshausen und Schwabmünchen weiterhin in Containern sitzen und vom Lernen in schönen Klassenräumen nur träumen können.

Noch schwieriger wird es in der Pflege. Hier werden uns, wenn die geburtenschweren Jahrgänge ins Alter kommen, vermutlich nicht nur die Pflegeplätze fehlen, sondern vor allem auch das notwendige Personal.

Wir begrüßen daher, dass als erster Schritt die Pflegeschule in Bobingen erweitert werden soll, sehen hierdurch allein jedoch den immensen auf uns zu kommenden Bedarf an Pflegepersonal nicht als gedeckt.

Darüber hinaus wird es uns die nächsten Jahre große Anstrengungen kosten, die Wertachkliniken insgesamt zu erhalten, was den Freien Wählern jedoch ein großes Anliegen sein wird.

Die Messe wird uns vor große Herausforderungen stellen.

Rückläufig entwickelt sich auch die Entwicklung des Tourismus in unserer Region und dies nicht erst seit Beginn der Corona-Krise.

Und unser öffentlicher Nahverkehr bleibt ein teuer zu unterhaltendes Sorgenkind, weil in der Fläche des Landkreises zu wenig Fahrgäste gewonnen werden können, was sich nach Ansicht der Freien Wähler ohne AVV-Reform und Einführung eines flächendeckenden 365,- Euro-Tickets auch nie ändern wird.

Weil die Aufgaben und Anforderungen an die öffentliche Verwaltung ständig steigen, müssen wir lernen mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln besser zu haushalten.

Es ist natürlich sehr schön, wenn man sich als Landkreis mit erstklassigen und imponierenden Bauwerken rühmen kann. Welcher Politiker lässt sich nicht gerne vor einem prächtigen Neubau, einem regionalen Leuchtturmprojekt fotografieren.

Bescheidenheit muss jedoch das Gebot der Zukunft sein.

Viele Menschen müssen jeden Euro in ihrer Geldbörse umdrehen und erwarten eine entsprechende Mäßigung und Sparsamkeit auch von der öffentlichen Hand. Diese Bürgerinnen und Bürger werden nicht verstehen, warum in einem Selbstversorgerhaus Jugendgruppen auf erlesenem Parkett wandeln und in Luxusküchen kochen müssen.

Wenn wir unseren Verpflichtungen und Aufgaben als Landkreis weiterhin umfänglich nachkommen wollen, sind Diversität, Quantität und Weitblick gefragt und nicht Exklusivität und Inszenierung.

Potentiale sehen wir auch in der parteienübergreifenden Zusammenarbeit im Gremium, sowie beim Umgang mit Anträgen der einzelnen Fraktionen. Absolut unverständlich ist, dass unser Antrag auf Beschaffung von Luftreinigungsgeräte vom September 2020 nicht auf die Tagesordnung gesetzt und im Gremium diskutiert wurde. Wir haben uns zwar sehr gefreut Herr Landrat, dass Sie diese Geräte ein Jahr später zum Schutz unserer Schüler und Lehrer gemäß unserem Antrag beschaffen ließen, können aber nicht verstehen, warum diese Entscheidung im Laufe eines ganzen Jahres nicht demokratisch im Gremium hat fallen dürfen.

Ähnlich geht es uns auch mit weiteren Anträgen. Es ist schade, wenn Anträge nicht auf die Tagesordnung der zuständigen Gremien gesetzt werden und ohne zufriedenstellende Befassung oder Abstimmung als erledigt abgehakt werden. Wir unterstellen keine Absicht, wir wissen Herr Landrat, Ihre Zeit ist knapp. Aber die Zeit, um demokratische Prozesse zu leben, muss sich dieser Kreistag nehmen. Alles andere schadet dem demokratischen Grundgedanken, dem Ansehen dieses Gremiums, sowie dem Vertrauen, dass die Bevölkerung in uns setzt.

Corona macht die Situation nicht leichter. Ein lockerer Austausch zwischen den einzelnen Mitgliedern der verschiedenen Gruppierungen, wie bei einem Weihnachtsessen oder Landkreisfest war bisher noch gar nicht möglich. Teilweise kennt man sich gegenseitig noch nicht einmal. Das verhärtet die Positionen und schürt Unverständnis und Unzufriedenheit. Es wäre daher dringend der Sommer zu nutzen, um bei einem formlosen Zusammentreffen dem Gremium die Möglichkeit zu bieten sich gegenseitig kennen und schätzen zu lernen.

Wir hoffen dass dies bald möglich sein wird und wünschen uns gleichwohl gute Zusammenarbeit, Rücksichtnahme auf die gegenseitigen politischen Interessen, mehr politischen Austausch, sowie die Möglichkeit zum Ideenwettbewerb.

Wenn mehr Ideen und Meinungen gesammelt werden, mag das zwar mehr Zeit in Anspruch nehmen, aber Demokratie braucht Kontroverse, um von allen Bürgerinnen und Bürgern getragen werden zu können. Desto mehr Punkte wir ansprechen und diskutieren, desto mehr Verständnis und Geschlossenheit werden wir nicht nur innerhalb unseres Gremiums, sondern auch draußen erreichen.

Mit dem Ergebnis dieser Haushaltsberatungen können die Freien Wähler zumindest in Bezug auf das aktuelle Haushaltsjahr mitgehen- aber nicht ohne mahnenden Fingerzeig auf die Folgejahre.

Eine noch höhere wie die geplante Verschuldung, sowie eine Erhöhung der Kreisumlage werden wir nicht mittragen können.

Mit einem stattlichen Satz von 48,25 liegen wir bereits jetzt 2,1-Punkte über dem schwäbischen und fast 3 Punkte über dem bayerischen Durchschnitt. Eine weitere Erhöhung und mithin Belastung unserer Kommunen müssen absolute Ultima Ratio bleiben und auch die kommenden Jahre tunlichst verhindert werden.

Hier gilt unser besonderer Dank wiederum unserer Kreiskämmererin und unserer Verwaltung, die hier eine hervorragende Arbeit geleistet haben und bis zuletzt unwahrscheinlich bemüht waren, alle denkbaren Einsparungspotentiale aufzuzeigen, um den Haushalt 2022 ohne Erhöhung der Kreisumlage auszugleichen.

Dem vorgeschlagenen Haushaltsentwurf für das Jahr 2022 wird die Freie Wähler Kreistagsfraktion daher zustimmen.