FW Fraktionsvorsitzende im Augsburger Kreistag: Melanie Schappin.

18.02.2023
Haushaltsrede 2023

Sehr geehrter Herr Landrat, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

 

2023 sollte ein Jahr der Freude für unseren Landkreis sein. Noch nie hatten wir derart hohe finanzielle Mittel zur Verfügung. Nicht nur die Schlüsselzuweisung des Freistaates sind absolut um knapp eine Million gestiegen, vor allem hätten uns in diesem Jahr allein von den Kommunen bereits 14,5 € Millionen Mehreinnahmen erwartet, eine satte Steigerung von über 9 %.

Insoweit hätten wir uns als Freie Wähler gewünscht, dass wir angesichts dieser guten Einnahmensituation heuer nicht über eine Erhöhung der Kreisumlage debattieren müssen.

Trotz der vermeintlich guten Aussichten mussten wir aber im Dezember noch mit einem anfänglichen Defizit von über 36 Millionen Euro ohne Neuverschuldung in die Haushaltsberatungen starten.

Und es stellt sich uns und vermutlich auch den Bürgerinnen und Bürgern die Frage, warum ist das so?

Als Gersthoferin komme ich mehrmals die Woche an unserem Schulzentrum vorbei und muss sagen, ich bin begeistert, wenn ich sehe, wie schnell der Bau unseres Paul-Klee-Gymnasiums voranschreitet.

Der Landkreis nimmt hier massiv Geld in die Hand um in Schulen, in Bildung, in die Zukunft unserer Kinder zu investieren. Diese Investitionen begrüßen wir als Freie Wähler ausdrücklich.

Allein in diesem Haushaltsjahr sollen 26 Millionen Euro ins Paul-Klee und weitere 23 Millionen Euro ins Justus-von-Liebig-Gymnasium in Neusäß investiert werden.

Macht insgesamt ca. 49 Millionen Euro, knapp 11 Millionen Euro erwarten wir heuer an Fördergeldern, bleibt eine Belastung von gut 38 Millionen Euro.

Dies entspricht in etwa dem Defizit aus dem 1. Haushaltsentwurf. Die Neuverschuldung kommt folglich umfänglich unseren Schulen zugute. Ab dem nächsten Jahr werden wir allerdings etwas weniger investieren, während wir gleichzeitig einen höheren Eingang von Fördermitteln erwarten.

Trotzdem schaffen wir es in den nächsten drei Jahren bislang voraussichtlich nicht, den Bedarf im Verwaltungshaushalt zu decken.

Das bedeutet im Ergebnis nicht nur einen Stopp weiterer Investitionen, sondern heißt auch, dass der Landkreis bei Beibehaltung der bisherigen Kostenstruktur über seinen Verhältnissen wirtschaften wird.

Natürlich steigt der finanzielle Druck auf unseren Landkreis, auch verstärkt durch die Corona- und Ukraine-Krise.

Aber die Herausforderungen, die wir zu bewältigen haben, werden auch in naher Zukunft nicht abreisen. Der Landkreis kämpft aktuell mit deutlich steigenden Kosten im Sozialbereich, der sich drastisch verschärfenden Asylsituation, dem Anstieg der Ukraine-Flüchtlinge usw.

Gleichwohl warten die Realschulen in Zusmarshausen und Schwabmünchen, sowie die Helen-Keller-Schule in Dinkelscherben auf dringend anstehende Erweiterungen.

Wichtig vor allem für unsere Jugend wäre auch die Sanierung respektive den Neubau des Kreisjugendheims endlich weiter voranzubringen.

Wir laufen nicht nur im Hochbau in einen Investitionsstau.

Auch im Tiefbau wurden notwendige Investitionen und Sanierungen weiter verschoben.

Die Wertachkliniken sind gerade in aller Munde. Herr Landrat, Ihre ideale Lösung wäre ein Neubau. Das klingt wahnsinnig verführerisch und wäre vermutlich eine gute und für die beiden bisherigen Standorte versöhnliche Lösung. Auch der Freistaat plant gerade ein verlockendes 100 Millionen schweres Sonderförderprogramm für kleinere Krankenhäuser im ländlichen Raum.

Aber ganz ohne Eigenmittel wird es wohl keinen Neubau geben. Wenn wir uns den Haushalt und die mittelfristige Finanzplanung anschauen, können wir uns jedoch bei allem erdenklichen Optimismus nicht vorstellen, wie so ein Vorhaben die nächsten Jahre realisiert werden soll.

Damit der Neubau nicht zum Luftschloss wird, müssten wir den Gürtel dringend deutlich enger schnallen.

Anschubfinanzierungen für Investitionen sind sonst in naher Zukunft schlichtweg nicht mehr möglich.

Bereits seit Anfang der Wahlperiode mahnt uns die Kämmerei wegen zu geringen Zuführungen zum Vermögenshaushalt. Spätestens jetzt mit Blick auf die kommenden Jahre ist es allerhöchste Zeit Luft zu machen- Luft, um auch künftig leistungsfähig zu sein und in die Zukunft investieren zu können.

Die Ursachen im Verwaltungshaushalt finden sich schnell. Deutlich steigende Kosten im sächlichen Verwaltungs- und Betriebsaufwand, sowie Personalausgaben die jährlich in Millionenhöhe ansteigen, nehmen uns den Spielraum für zusätzlich nötige Investitionen. Trotz Fertigstellung unseres sehr gelungenen Anbaus am Landratsamt mit der Erweiterung der Tiefgarage werden weiterhin Kfz-Stellplätze und zusätzliche Büroräume in bester Augsburger Innenstadtlage angemietet.  

Es ist 5 vor 12. Spätestens jetzt müssen offensichtlich strukturelle Probleme angegangen werden. Wir wiederholen uns heute mit der Forderung den Rotstift für eine nachhaltige und effiziente Personalpolitik anzusetzen, die Digitalisierung auszubauen, Einsparpotentiale zu nutzen und Homeoffice-Angebote noch weiter zu etablieren.

Nach vielen Jahren der Warnung begrüßen wir nun ausdrücklich, dass erstmals tatsächlich die Bremse gezogen wurde und geplante Stellenmehrungen deutlich reduziert wurden.

Auch die seit Jahren von uns geforderte AVV-Reform darf kein Jahr länger auf sich warten lassen. Die Kosten steigen exorbitant und obwohl wir viel investieren, lässt die Qualität der Leistung nicht zuletzt wegen des massiven Personalmangels der Dienstleister merklich nach.

Wir hatten bereits auf das z.B. in Günzburg praktizierte Flexibus-System verwiesen. Natürlich ist auch dieses System nicht der Weisheit letzter Schluss, vor allem im Hinblick auf die Stadt Augsburg uns unsere urbanen Gebiete. Die Zusammenführung beider Modelle könnte aber durchaus die Möglichkeit eröffnen, ein flächendeckendes, maßgeschneidertes und attraktives Angebot im ländlichen Raum anzubieten, dass noch bezahlbar ist.  

Fraglich ist auch die Zukunft der Augsburger Messe, wenn die Wirtschaftlichkeit der Gesellschaft weiter in entsprechendem Maße sinkt.

Wir sehen, die Aufgabenfülle für das kommende Jahr ist groß.

Heute müssen wir darüber entscheiden, ob wir die Kreisumlage erhöhen, um unseren sonst unausgeglichenen Haushalt zum Ausgleich bringen zu können.

Anstrengungen wurden die letzten beiden Monate von allen Seiten sehr viele unternommen, um das noch verbleibende Defizit nach Ausschöpfung der maximalen Kreditaufnahme möglichst gering zu halten.

Hier danken wir allen Beteiligten, insbesondere der Kämmererin und den Abteilungsleitern, die sämtliche Stellschrauben gedreht haben, so dass nun eine Erhöhung der Kreisumlage von 0,75%-Punkten auskömmlich wäre.

Uns Freien Wählern fällt es unwahrscheinlich schwer, einer Erhöhung der Kreisumlage zuzustimmen.

Insbesondere heben wir seit Jahren den mahnenden Zeigefinger und haben nicht nur Einsparungen gefordert, sondern z.B. mit der Idee eines bürgernahen dezentralen Landratsamtes oder der Forderung nach einer Organisationsanalyse auch nach Lösungen gesucht und angeboten.                                                                        

Gleichwohl hoffen wir gerade in diesen Zeiten auf guten parteiübergreifenden Zusammenhalt, um die nächsten durchaus anspruchsvollen Jahre für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landkreises gemeinsam bestmöglich zu meistern.

Nach vielen und längeren Diskussionen wird unsere Fraktion heute aber kein einheitliches Votum abgeben. Wir sind Freie Wähler und es widerstrebt zutiefst unserer Gesinnung unseren Kolleginnen und Kollegen bei verständlichen und guten Argumenten ein Votum aufzuerlegen.

Unter anderem unsere Bürgermeister sehen sich selbst wachsenden Anforderungen bei der Erfüllung ihrer kommunalen Aufgaben ausgesetzt und kämpfen mit dem Ausgleich ihrer eigenen Haushalte vor Ort.

Die Mehrheit der Freien Wähler Fraktion, unsere Fraktionsspitze und unser Landtagsabgeordneter inbegriffen, wird aber heute dem Haushaltsentwurf für das Jahr 2023 zustimmen.

 

Augsburg, den 13.02.2022

Melanie Schappin, Fraktionsvorsitzende